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Narzissmus

Eine wichtige Rolle bei allen schweren und hartnäckigen Fällen von Mobbing spielt psychologisch der Narzissmus. Doch was ist dieser Narzissmus, der vom Laien gerne mit Eitelkeit verwechselt wird, eigentlich? Das Wort leitet sich ab von Narziss, dem schönen Sohn eines Flussgottes und einer Wassernymphe in der griechischen Mythologie. Narziss wies die Liebe anderer zurück und verliebte sich in sein eigenes Spiegelbild. Obwohl er die Unerfüllbarkeit dieser Liebe erkannte, verzehrte er sich bis zu seinem Tod nach seinem Ebenbild, konnte sich von dieser Sehnsucht nie befreien.

Trotzdem ist der Narzissmus psychologisch an und für sich ein wertneutraler Begriff. Es gibt den gesunden Narzissmus des Kleinkindes, das immer mehr seine Umwelt und seine zunehmenden Fähigkeiten entdeckt und darauf stolz ist – ein Motor für seine weitere Entwicklung. Es gibt die Schönheitskönigin, die sich freut, Erste geworden zu sein. Jemand Anderer freut sich über einen beruflichen Erfolg oder eine Fussballmannschaft freut sich über ihren Sieg.

Ein positiv gelebter Narzissmus ist jedoch auch an eine einigermassen normale Entwicklung des Selbstwertgefühls geknüpft. Und hier gelangen wir zum krankhaften Narzissmus, einer Persönlichkeitsstörung, die häufig bei Mobbing-Tätern beobachtet werden kann. Wenn nicht eine ernsthaftere genetische Störung vorhanden ist – dazu kommen wir bei der Psychopathie – reagiert ein Kleinkind auf die Liebe der Eltern, die die Basis für seine Selbstliebe bildet. Wird dieser Prozess gestört, kann es zu einer schweren „narzisstischen Kränkung“ kommen, wo es den Betreffenden nie gelingt, ein annähernd intaktes Selbstwertgefühl auszubilden. Das kann verheerende Folgen auch für ihre Mitwelt haben.

In seinem Buch „die Narzissmusfalle“ nennt der österreichische Psychiatrieprofessor und Gerichtsgutachter Reinhard Haller die sogenannten 4 E:

  1. Extreme Egozentrik
  2. Sehr hohe Empfindlichkeit
  3. Mangelnde Empathie (Einfühlungsvermögen und Mitgefühl)
  4. Entwertung

Der 4. Punkt ist besonders wichtig für unser Thema: Die Entwertung anderer nennt man heute den bösartigen oder malignen Narzissmus und dies ist typisch für notorische Mobbing-Täter. Im Buch „Die Masken der Niedertracht“ von Marie-France Hirigoyen (französische Psychoanalytikerin) wird dasselbe Phänomen als „perverser Narzissmus“ bezeichnet. Bei der Entwertung geht es darum, dass eine Person sich künstlich erhöht, indem sie Andere erniedrigt. Tatsächlich ist es eine pervertierte Form des Narzissmus, etwa so, wie wenn z.B. eine Fussball-Mannschaft sich in erster Linie darüber freuen würde, dass die anderen verloren haben, anstatt sich über ihren eigenen Sieg zu freuen.

Mitte der 90er Jahre brachte der amerikanische Psychologe Daniel Goleman das Buch „EQ – Emotionale Intelligenz“ heraus, das ein Bestseller wurde. Man war sehr optimistisch dahingehend, dass Menschen mit einem hohen EQ eine Bereicherung für jedes Unternehmen wären. Es hat sich dann nicht nur herausgestellt, dass der IQ, der die kognitive Intelligenz misst, den grösseren Ausschlag für die Leistungsfähigkeit ergab. Sondern darüber hinaus zeigte sich, dass manche Menschen mit hohem EQ ihre Fähigkeiten am Arbeitsplatz strategisch zum eigenen Vorteil und auf Kosten von Kollegen nutzen. Sie konzentrieren zum Beispiel ihre Aufmerksamkeit ausschliesslich auf wichtige Mitarbeiter und manipulieren diese. Nicht selten gelangen solche Narzissten auch selber in Machtpositionen, wo sie eben gerade keine guten Chefs sind. Solche Leute verfügen zwar über eine hohe Sozialkompetenz, soziale und kognitive (über das Denken gehende) Empathie. Doch ist das nicht dasselbe wie echte emotionale Empathie, die die Fähigkeit zu tieferem Mitgefühl mit andern einschliesst.

Psychopathie

Psychopathie und bösartiger Narzissmus sind eng verwandt, und trotzdem gibt es eine Abgrenzung: Psychopathen (oder Soziopathen) sind immer auch Narzissten. Narzissten sind aber nicht immer gleichzeitig Psychopathen. Während bei malignen Narzissten noch rudimentäre Restbestände eines Gewissens und eines natürlichen Rechtsbewusstseins vorhanden sein können, fehlt dies bei echten Psychopathen vollständig. Gemeinsam ist schweren Narzissten und Psychopathen das völlige Desinteresse an den Gefühlen anderer, die von ihnen viel mehr als Objekte denn als Menschen wahrgenommen werden.

Machtgier, Kontrollsucht und mindestens psychischer, manchmal auch körperlicher Sadismus findet man ebenfalls bei Beiden.

In den 90er Jahren schrieb Robert D. Hare, ein kanadischer Professor für Kriminalpsychologie das Buch „Gewissenlos – die Psychopathen unter uns“. Er hatte mit vielen Schwerkriminellen zu tun. Klar ist, dass der Anteil von Psychopathen v.a. bei schweren Straftätern höher ist als bei der Durchschnittsbevölkerung. Umgekehrt werden aber die meisten Psychopathen niemals straffällig. Gerade psychischer Sadismus/ Mobbing fällt ja normalerweise nicht unter Straftaten. Es geht hier vielmehr um die Gemeinsamkeiten in der Persönlichkeitsstruktur. Psychopathen, die schwer sozial auffällig geworden sind, hatten meist eine miserable Kindheit. Doch Hare und auch andere forensische Psychologen und Psychiater gehen auf Grund ihrer Erfahrungen davon aus, dass es sich auch um eine genetische Veranlagung handelt. Die oft schwer erziehbaren Kinder vergleicht Hare mit einem  harten Ton, der nur sehr schwer formbar ist. Als Erwachsene sind sie wie bösartige Narzissten praktisch therapieresistent, zeigen keine Reue und verspüren auch kein Bedürfnis danach, „geheilt“ zu werden.

Viel zum Verständnis der Zusammenhänge trägt auch die moderne Hirnforschung mit der Entdeckung der Spiegelneuronen bei. Der Neurobiologe Joachim Bauer schreibt dazu: „Um andere zu verstehen, aktivieren wir die gleichen neuronalen Systeme, mit denen wir unsere eigenen Gefühle erleben. Spiegelneuronen sorgen dafür, dass die Empfindungen, Handlungen und Absichten anderer Menschen auf unserem eigenen Instrumentarium nachgespielt werden.“ Spiegelneuronen veranlassen uns z.B. zu gähnen, wenn andere es tun, oder das Gesicht schmerzhaft zu verziehen, wenn sich vor unseren Augen jemand verletzt. Wirkliche Psychopathen zeigen jedoch ein abweichendes Verhalten: Im Gegensatz zu Teilnehmern der Kontrollgruppen findet bei ihnen keine besondere Aktivierung der Spiegelneuronen statt, wenn sie Bilder oder Filme sehen, in denen andere Personen Schmerzen erleiden. Spätere Versuche zeigten dann: Wenn man den Betreffenden beim Anblick leidender Menschen gleichzeitig einen Stromstoss versetzte, näherte sich die Hirnaktivität derjenigen der Kontrollpersonen an. Nun ja, es scheint mir nicht sehr befriedigend: Eine „Empathie“, die von Stromstössen abhängt…

Diese abweichenden neurobiologischen Muster führen uns wieder zurück zu den vorangegangenen Beschreibungen des abweichenden Verhaltens von schweren Narzissten und Psychopathen und hier schliesst sich der Kreis.


Kommentare

Narzissmus und Psychopathie als Grundlagen von schwerem Mobbing — 6 Kommentare

  1. Das Mobbing durch Psychopathen geht sehr subtil vor sich, da sie das Leiden ihrer Opfer geniessen und wie ein Raubtier beobachten. Psychopathen fehlt der Sinn, der uns zu richtigen Menschen macht, das Mitgefühl. Das wissen sie irgendwie auch und deshalb sind sie so neugierig und fast interessiert, wie ihr Opfer leidet. Psychopathen können sehr charmant, nett und unauffällig sein. Als Opfer merkt man lange nicht, das sie einen umzingeln, beobachten, zu nah heran kommen, austacksieren, förmlich beschnüffeln und ihr Umfeld in Stellung bringen. Meine letzte Vorgesetzte war ein solches As. Sie versteckte das Klassenbuch, versteckte meinen Stuhl und sorgte immer für Chaos und Unordnung. Das genoss sie förmlich und auch das Stehen im Rampenlicht. Ihre Shows waren abartig und widerwärtig. Alles inszeniert, um sich selbst zu feiern. Was für armseliges Wesen, hab ich gedacht. Heute weiss ich, das sie das abartigste und kränkste Wesen im Chefsessel ist. Und sie stieg weiter nach oben. Leider tut das Umfeld so, als merkt es nichts. Diese angepassten Kriecher denken, dass sie nie Opfer werden können. Leider schützt das Umfeld den Psychopathen. Ohne das Umfeld würde der Psychopath als das da stehen, was er ist, ein wiederwärtiger, sich schmarotzend auf Kosten anderer nach oben kriechender Wurm, ohne echte Liebe, ohne Begabungen, ohne Ausdauer für sinnvolle Arbeit, ohne echten Humor und ohne Sinn für tiefgründige zwischenmenschliche Beziehungen. Einfach das Abartigste!!!!! Wer das erleben musste, hat den menschlichen Abgrund erkannt und das “ Wesentliche“ begriffen.

  2. Liebe Frau Friedrich
    Sehr eindrücklich beschrieben! Die meisten Menschen haben zwar zum Glück wenigstens ansatzweise ein Gewissen. Aber in unserer von rationalem Denken (leider untauglich, um das Wesen anderer zu erfassen) beherrschten Zivilisation können sie sehr leicht von Skrupellosen PsychopathInnen, die völlig anders ticken, in die Irre geführt werden. Die Opfer werden allein gelassen, weil die Mehrheit der Menschen sich so etwas einfach nicht vorstellen kann. Ein treffendes Zitat über Psychopathen: „Es gibt Menschen, die in Erfahrungswelten leben, die wir nicht betreten können“. Ich wünschte mir, dass mehr Menschen so weit kommen, Fassade und Wirklichkeit (und zwar auch die, die sie NICHT rational fassen können) zu unterscheiden. Damit wäre den Opfern sehr geholfen!
    Ich wünsche Ihnen, dass Sie einen Weg gefunden haben zu einem wohlverdienten besseren Leben!
    Herzliche Grüsse
    Erika Reust

  3. Ich werde von einer, in der Nachbarschaft lebenden malignen Narzisstin terrorisiert. Sie manipuliert ihre eigene Familie und Bekannte, ihr es gleich zu tun. Wirklich grauenvoll! Sowas wünscht man keinem Mensch! Gute Nachbarn sind wirklich Gold wert.

    • Liebe Alice
      Das tut mir wirklich leid für Sie. Um diese Situation zu verbessern bleibt wohl nur zu handeln: Z.B. zu Ihrem Schutz einen Anwalt nehmen oder eine neue Nachbarschaft suchen. Und wenn möglich gezielt Kontakte mit Menschen pflegen, die Ihnen gut tun. Ich wünsche Ihnen viel Glück!
      Herzliche Grüsse
      Erika Reust

  4. Mobbing wird viel zu wenig bestraft. Mobbing kommt in der öffentlichen Diskussion im Vergleich zum sexuellen Missbrauch viel zu kurz. Sperrt Mobber, die in anderen ein Psychodrama auslösen ein. Sie sind genauso Verbrecher, die anderen Menschen Schmerzen zufügen. Ich habe unter einer solchen Psychopathin als Lehrling sehr gelitten. Ich spüre auch nach Jahrzehnten immer noch die Folgen. Wegsperren und aburteilen. Hinter Gitter mit solchen Verbrechern.

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